„Vom Sondergericht zur Justiz der Bundesrepublik“
Der Arbeitskreis Lern- und Gedenkort Annedore und Julius Leber erinnert an den Schauprozess von 1944
04. November 2024
Am 20. Oktober 1944 stand Julius Leber im Berliner Kammergericht vor dem Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler. Dieser Schauprozess, an den der Arbeitskreis Lern- und Gedenkort Annedore und Julius Leber in der Veranstaltung „Vom Sondergericht zur Justiz der Bundesrepublik – Brüche und Kontinuitäten“ erinnert, gehört zu den bedeutendsten Momenten der NS-Widerstandsgeschichte. Eingeladen waren die Referenten Dr. Bernd Pickel, ehemaliger Kammergerichtspräsident und Prof. Johannes Tuchel, Direktor der Gedenkstätte deutscher Widerstand.
Neben Julius Leber wurden 1944 auch Adolf Reichwein, Hermann Maaß und Gustav Dahrendorf angeklagt. Leber und seine Mitstreiter wurden des Hochverrats und der Vorbereitung eines Umsturzes beschuldigt. Die Angeklagten hatten kaum Zeit zur Vorbereitung; die Anklage wurde erst einen Tag vor Prozessbeginn zugestellt. Leber trat Freisler mutig entgegen, widersprach höflich, aber bestimmt dessen Vorwürfen, was den Journalisten Paul Sethe beeindruckte: Trotz der Todesgefahr sei Leber ruhig und gefasst geblieben. So erinnerte sich Sethe nach dem Krieg zurück.
Julius Leber, Adolf Reichwein und Hermann Maaß wurden zum Tode verurteilt. Maaß und Reichwein wurden noch am Tag des Urteils in Plötzensee hingerichtet. Leber hingegen blieb bis zum 5. Januar 1945 im Gestapo-Gefängnis, wo ihn seine Frau Annedore noch mehrmals besuchen konnte. An diesem Tag wurde er ebenfalls in Plötzensee erhängt. Gustav Dehrendorf wurde zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt und überlebte als einziger Angeklagter.
Die Nachwirkungen dieser Zeit wurden auch im weiteren Verlauf der Veranstaltung thematisiert. Dr. Bernd Pickel, ehemaliger Kammergerichtspräsident, zog eine Verbindung von der NS-Justiz zur Nachkriegsjustiz. Prof. Johannes Tuchel erinnerte daran, dass die Urteile des Volksgerichtshofs erst 1998 aufgehoben wurden. Die Diskussion lenkte auch den Blick auf die Gefahr politischer Einflussnahme auf die Justiz in der Gegenwart und die Notwendigkeit, aus der Geschichte zu lernen, um die Unabhängigkeit der Gerichte zu bewahren.
So bleibt das Erbe von Julius Leber und anderen Widerstandskämpfern ein Mahnmal für die Bedeutung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.