„Mut als Grundsubstanz unserer Demokratie“

Anregender Austausch bei Veranstaltung des Stadtteilverein Schöneberg e.V. zu Julius Leber

08. Juli 2024

Insgesamt vier Veranstaltungen führt der Stadtteilverein Schöneberg e.V. mit seinem Arbeitskreis Lern- und Gedenkort Annedore und Julius Leber zum Leben der beiden und ihrem Widerstand in der NS-Zeit durch. In der zweiten Veranstaltung am 05.07.2024, die am Jahrestag der Verhaftung von Julius Leber stattfand, ging es vorrangig um seine Rolle bei der Vorbereitung des Stauffenberg-Attentats vom 20.07.1944 und seine Verbindungen zur Widerstandsgruppe des Kreisauer Kreises. Es sollte zudem ein Bogen geschlagen werden in das Jahr 2024: Was können wir aus der Geschichte für die heutige Zeit ableiten? Was ist Mut und wie kann ich mich aktiv für die Demokratie einsetzen?

Der gut gefüllte Veranstaltungsraum im PallasT
Der gut gefüllte Veranstaltungsraum im PallasT

Mit rund 50 Besucher*innen war der PallasT in Schöneberg sehr gut gefüllt. Es referierten Prof. Dr. Peter Steinbach, wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und Laura Nickel, Lehrerin und Mitglied im Bündnis „Schule für mehr Demokratie“.

Steinbach berichtet über Julius Leber, der sich früh gegen die sich abzeichnenden nationalsozialistischen Machenschaften stellte. Schon 1932 hätte das NS-Regime ihm mit dem Tod bei Machtergreifung gedroht. Nachdem Leber 1933 verhaftet wurde und 1937 aus dem KZ Sachsenhausen freikommt, eröffnet er eine Kohlenhandlung und führt ein scheinbar bürgerliches und unauffälliges Leben. Für den Erhalt ebendieser ehemaligen Kohlenhandlung setzt sich der Arbeitskreis seit rund 10 Jahren ein, um aus ihr einen Gedenk- und Lernort zu errichten.

Prof. Dr. Peter Steinbach
Prof. Dr. Peter Steinbach

Doch Leber geht schnell wieder aktiv in den Widerstand, auch im Kreisauer Kreis. Das besondere aus Sicht von Professor Steinbach: dass er dabei versucht, auf andere Gruppen zuzugehen, um diese im Widerstand zu vereinen: darunter Gewerkschaften, Militärs, Kommunisten und Sozialdemokraten. „Ein Widerstand ohne Volk, nur aus dem Zentrum heraus – das geht nicht“, so Steinbach über Lebers Ansatz.

Das, was wir aus Lebers Geschichte lernen, ist so aktuell wie nie: sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, sich mutig für die Demokratie einzusetzen und diskriminierende Aussagen nicht hinzunehmen. „Es ging um Verhaltensweisen und Maßstäbe“, sagt Steinbach und leitet zu Laura Nickel über. Sie hatte mit einem ehemaligen Kollegen 2023 in einem Brandbrief auf rechtsextremistische Vorfälle an einer Schule im südbrandenburgischen Burg aufmerksam gemacht, an der sie Lehrerin war. Sie berichtet eindrücklich über ihren Schulalltag und die rechtsextremistischen Ereignisse, die an der Tagesordnung waren. Mit ihrem Brandbrief wurde eine Welle in den Medien losgetreten. Wenige aus dem Kollegium hätten sich hinter sie gestellt, viele hätten weggeschaut und geschwiegen. Trotzdem bereut sie den Schritt nicht und will sich weiter – inzwischen an einer anderen Schule – für Demokratie und gegen Populismus und Rechtsextremismus einsetzen.

Laura Nickel (links) mit Moderatorin Anabel Bermejo
Laura Nickel (links) mit Moderatorin Anabel Bermejo

Im Anschluss an die Referate war Zeit für Fragen und Austausch. Sollte es verpflichtende „Demokratie-Schulungen“ für Lehrer*innen geben? Wie kann ich Gleichgesinnte finden, um nicht allein mutig für die Demokratie sein zu müssen? Auch Themen wie Hilflosigkeit, ein „unter den Teppich kehren“ und oft fehlenden Kommunikationskulturen an Schulen wurden angeregt im Plenum diskutiert – ebenso die Rolle der sozialen Medien, die von Rechtsextremen genutzt werden, um Jugendliche gezielt anzusprechen.

Informationstisch des Arbeitskreises

 

Mehr Informationen zum Arbeitskreis

Fotos © Katharina Koch / Arbeit und Leben Berlin-Brandenburg

 

 

check zum Seitenanfang